Sexuelle Unlust transformieren

Einer der häufigsten Gründe, warum Paare zu uns kommen, ist die Tatsache, dass die Sexualität eingeschlafen ist. Entweder hat einer der beiden viel und der andere keine oder wenig Lust, was zu Konflikten in der Partnerschaft oder Fremdgehen führt. Oder beide haben das Interesse an Sex verloren, weil im Laufe der Zeit alles andere wichtiger geworden ist. 

Kein Thema ist mit so viel Scham, Schuld und Verletzung besetzt wie Sex. Gleichzeitig wird es in der Werbung extrem gepusht, so dass uns die natürliche Beziehung dazu verloren gegangen ist. Einerseits sollen wir Frauen möglichst sexy sein, uns beim Sex komplett hingeben und immer zum Orgasmus kommen… aber andererseits dürfen wir ja nicht zu wild und freizügig sein oder mit zu vielen Männern schlafen… Männer dagegen werden zum Held, wenn sie es schaffen viele Frauen flach zu legen, immer selbstbewusst und stark zu sein und gleichzeitig sollen sie in einer Beziehung treu und einfühlsam sein und über ihre Gefühle sprechen… Wie oft bekommen wir von anderen gesagt, wie wir zu sein haben, was wir tun sollten und wofür wir uns schämen müssen?!?

Sexualität kann eine der größten Glücks- und Energie-Quellen in unserem Leben sein, aber für viele ist diese Form der Intimität zu einem schweren Thema geworden. Ohne das natürliche Gespür für unsere Lust, fallen wir sehr schnell in eines der Extreme von Unterdrücken oder Abhängigkeit. Dies passiert meistens unbewusst, aufgrund der Prägung in der Kindheit, traumatischen Erfahrungen und den entsprechenden Glaubenssätzen. 

Unterdrücken bedeutet in der Sexualität meist wenig Lust und Genuss, Schwierigkeiten sich hinzugeben und zum Orgasmus zu kommen, viel denken, wenig spüren und eine gewissen Härte gegenüber sich selbst.

Abhängigkeit dagegen bedeutet das eigene Sexualverhalten bzw. den Pornokonsum nur schwer kontrollieren zu können, was oft mit einem schlechten Gewissen einhergeht. Sex wird oft als Ersatzbefriedigung oder Betäubungsstrategie für unangenehme Gefühle oder Stress eingesetzt, was natürlich auch schnell zu einer Form der Sucht führen kann.

Ich vergleiche die sexuelle Energie gerne mit einem Wildpferd. Ich kann versuchen mich darauf zu setzen, den wilden Ritt genießen und mich irgendwo hin tragen lassen worüber ich aber nur wenig Kontrolle habe, oder ich kann lieber sicher zu Fuß gehen. Die meisten Religionen haben sich für das Unterdrücken und Wandern – die Askese – entschieden, weil die Gefahr der Abhängigkeit und dem Verlieren in der Sexualität zu hoch war. Aber es gibt auch noch einen anderen Weg…

Sexuelle Energie ist die stärkste Energie, die wir haben. Sie ist dazu da, um neues Leben zu schaffen, aber auch genauso um kreativ und lebendig zu werden, die eigenen Schöpferkraft zu aktivieren, zu wachsen und zu lieben. Was wenn wir lernen würden das Wildpferd zu zähmen und bewusst zu lenken? Diese unendliche Kraft und das Potential für unser Leben nutzbar zu machen? Bewusstsein und Liebe in unsere Sexualität zu bringen und uns wieder mit unserer (Lebens-)Lust zu verbinden… genau darum geht es im Tantra.

Um das Wildpferd zu zähmen braucht es den Mut die eigene Wildheit zuzulassen und damit einen natürlichen Zugang zur Lust, den eigenen Bedürfnissen und Emotionen zu entwickeln. Dazu ist es hilfreich, die Glaubenssätze zu identifizieren, die uns im Laufe unseres Lebens geprägt haben, sie zu hinterfragen und gegebenenfalls zu transformieren. Es geht darum bewusster und achtsamer zu leben, um sich selbst mehr zu spüren und die eigene Lust wieder wahrnehmen zu lernen. Und letzten Endes, um Energien bewusst lenken zu lernen. Wenn uns das gelingt, können wir nicht nur unser Sexleben transformieren – hin zu mehr Genuss, Verbundenheit, Liebe und Ekstase – sondern haben auch allgemein im Leben viel mehr Energie zur Verfügung, für all die Themen, die uns am Herzen liegen und die wir in die Welt bringen möchten.