Von Sucht und Betäubung zu einem gesunden und stimmigen Leben

Von Sucht und Betäubung zu einem gesunden und stimmigen Leben

Interview mit Anne Hehl

Erzähl doch mal Deine Geschichte... wie bist Du zu dem gekommen, was Du heute machst?

Heute arbeite ich als Coach und Therapeutin für mentale und emotionale Gesundheit und außerdem als Yoga- und Meditationslehrerin. Ursprünglich habe ich etwas ganz anderes gemacht. Nach dem Abitur war ich ziemlich verloren und wusste nicht recht, in welche berufliche Richtung ich gehen sollte. Mehr aus Vernunft als aus Leidenschaft habe ich erst eine Fremdsprachenausbildung und dann ein BWL-Studium absolviert und dann auch viele Jahre in diesem Bereich gearbeitet. Der berufliche Wandel kam eigentlich mit der Auseinandersetzung mit mir selbst und meiner Essstörung. Zunächst habe ich mich aus reinem Eigeninteresse mit psychischer Gesundheit beschäftigt und dann gespürt, dass ich auch andere Menschen auf ihrem Weg in ein Leben, das sich gesund und stimmig und richtig anfühlt, begleiten möchte. 

Die meisten Menschen flüchten sich in Süchte. Mal mehr oder weniger offensichtlich. Was gibt es da für unterschiedliche Erscheinungsformen und wie erkenne ich, ob ich davon betroffen bin? 

Zum Einem gibt es da natürlich die Süchte, die wirklich als pathologisch gelten, für die es also echte medizinische Diagnosen gibt und die zu den psychischen Erkrankungen gezählt werden – z.B. Alkohol- und Drogensucht. Aber auch Spielsucht, Kaufsucht, Sexsucht werden mittlerweile therapeutisch behandelt. Essstörungen gehören ebenfalls zu den Süchten. Aber letztendlich kann alles zur Sucht werden, wenn es dazu dient, emotionale Leere zu füllen, von „Baustellen“ im Leben abzulenken, wenn wir damit vor etwas fliehen, das es eigentlich anzuschauen gilt.

Sport treiben, wie auch Serien schauen, kann sowohl Freizeitvergnügen, als auch Sucht sein. Fühle ich mich danach leer und abgestumpft? Habe ich das Gefühl, ich brauche immer mehr davon? Das sind u.a. Zeichen dafür, dass mein Tun zu einem Suchtverhalten geworden ist. 

In welcher Form hilft uns die eigene Sucht - oder war sie in der Vergangenheit einmal hilfreich - und wann wird sie problematisch?

Süchte haben uns insofern geholfen, als dass sie uns erstmal etwas haben kompensieren lassen. Wenn ich mich in einer gefühlskalten Partnerschaft in den Alkohol flüchte oder meine Verzweiflung über Mobbing im Job mit Schokolade tröste, dann ist das wie eine Art Erste Hilfe-Maßnahme. Aber dauerhaft darf das nicht unser Weg sein, mit unseren Nöten umzugehen, da dies ja nicht dabei hilft, die Ursache zu heilen. 

Der Schritt, zu erkennen, dass wir in einer Sucht stecken, ist ein riesengroßer Schritt in Richtung Heilung.

Die Beziehung zum eigenen Körper ist für viele Frauen ein ständiger Kampf. Gestörtes Essverhalten, verzerrte Selbstwahrnehmung, Selbstoptimierung, Flucht in den Kopf… wie kann man aus diesem Teufelskreis aussteigen?

Es hilft, den Blick auf uns zu verändern, indem wir uns selbst so betrachten, wie wir unsere beste Freundin betrachten würden. Sie würden wir niemals beschämen wegen ihres Gewichtes. Mit uns selbst aber gehen wir oft hart ins Gericht. 

Auch die Arbeit mit inneren Anteilen, z.B. die Innere-Kind-Arbeit ist sehr kraftvoll. Wenn wir das kleine Mädchen (oder den kleinen Jungen) in uns betrachten, kommt oft eine große Menge Mitgefühl. Unser Wunsch zu trösten oder zu beschützen wird geweckt. 

Was hat Dir dabei geholfen, den Mut zu finden, offen über Deine Essstörung zu sprechen und Dich anderen anzuvertrauen?

Der Mut kam in kleinen Schritten. Den größten Mut brauchte es wohl, mir selbst einzugestehen, dass ich an einer Essstörung erkrankt bin. Dann habe ich begonnen, mich einer Freundin anzuvertrauen, von der ich wusste, dass sie in Therapie war. Ich habe mit meiner Therapeutin gesprochen, dann mit weiteren Freundinnen, der Familie… und schließlich habe ich angefangen, öffentlich darüber zu sprechen und zu schreiben (vor allem, um zur Entstigmatisierung von psychischen Erkrankungen beizutragen). Ich habe gemerkt, es passiert gar nichts Schlimmes, wenn ich darüber spreche. Im Gegenteil. Ich habe eher Zuspruch und Unterstützung erfahren. Es ist mir ein so großes Anliegen, andere dabei zu unterstützen, sich anzuvertrauen und Scham abzulegen. Auch das ist ein riesiger Schritt zur Heilung. 

Wie kann eine Heilungsreise konkret aussehen? Wie kommen wir mit uns selbst wieder in Frieden und zu einer gesunden Selbstakzeptanz und Selbstliebe?

Am Anfang steht das Erkennen, dass wir in ungesunden inneren Strukturen feststecken. Diesen Schritt kann uns niemand abnehmen. Zuvor sprach ich schon von der Arbeit mit dem innere Kind. Wenn wir uns bewusst werden, dass es da verletzliche und verletzte Anteile in uns selbst gibt, die wir ganz schön schlecht behandeln, dann bringt uns das zu Selbstmitgefühl. Für Heilung brauchen wir Geduld -vor allem mit uns selbst: drei Schritte vor, zwei zurück. Das ist nicht selten. Wir brauchen Menschen an unsere Seite – (Chosen) Family, Freund*innen, Therpeut*innen und Coaches… Wir müssen Heilung nicht alleine schaffen. Es ist wichtig, dass wir uns Hilfe erlauben. 

Du sprichst viel über Dualität und verschiedene Rollen. Für viele unserer Kunden ist es auch extrem schwer, unterschiedliche Rollen gleichzeitig zu leben. Karrierefrau und Partnerin. Mutter und Liebhaberin. Wie kann es gelingen, beide Pole zu leben und zu integrieren?

Wir müssen uns bewusst machen, dass wir nicht unendlich viel Energie und auch nicht unendlich viel Zeit haben, um unsere Rollen zu leben. Unser Leben ist wie ein Mosaik. Die Fläche, auf der wir die verschiedenfarbigen Steinchen, die jeweils für verschiedene Lebensbereich stehen, anordnen können, ist begrenzt. Wir können nicht 100% rote Job-Steinchen darin verbauen, wenn wir auch noch gelbe Partnerschafts-Steinchen oder grüne Eltern-Steinchen verbauen wollen. Ein einfarbiges Mosaik ist ohnehin langweilig. Diese Analogie verdeutlicht ganz gut, dass es um Integration und Verbindung geht und nicht darum, überall 100% zu geben. 

Wie können wir die inneren Idealbilder loslassen und den Erwartungsdruck, der damit zusammenhängt?

Wir werden so sehr von außen und vor allem von den schillernden Bildern in den (sozialen) Medien beeinflusst. Perfekte Körper, perfekte Partnerschaften, perfekte Häuser, perfekte Leben… Das gibt es nicht! Sucht Euch Vorbilder, die echt sind, die Euch inspirieren, die auch mal kämpfen und fix und foxy sind und dann auch wieder aufstehen und das Leben genießen. Die gibt es im Netz (zum Glück wird Authentizität mehr und mehr wertgeschätzt) und auch im echten Leben. Entfolgt Profilen, die Euch mit einem faden Gefühl zurücklassen, lest keine Magazine, die Euch an Euch zweifeln lassen! Weg damit!

Was bedeutet gesunde Individualität für Dich?

In gesunder Individualität leben wir, wenn sich unser Leben stimmig und richtig und gesund anfühlt. Was das genau heißt, das ist eben individuell. Lasst uns das herausfinden, jede und jeder für sich. Es ist mir so ein großes Anliegen, Menschen dabei zu begleiten, ihren Weg hin zu einem Leben in gesunder Individualität zu finden und zu gehen.

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